Seit Jahren berichtet die Geldmarie über die oekostrom AG. Anfangs sehr kritisch und teilweise empört, zuletzt ob des geschafften Turnarounds und der ausgezeichneten Aussichten durchaus positiv. Nachzulesen ist der Kommentar über das gute Jahr 2012 übrigens hier: oekostrom AG mit Rückenwind.
Auch nach dem 1. Quartal 2013 sehen die Zahlen des Stromproduzenten und -Händlers sehr rosig aus - die heute stattgefundene Hauptversammlung des Unternehmens schien somit bei den meisten Tagesordnungspunkten eine reine Formsache zu werden.
Nachdem aktuell aber bei der oekostrom AG 3 Aufsichtsratsmandate (von 5) ausliefen und zur Neuwahl anstanden, war es durchaus interessant, dass sich doch eine Vielzahl von Menschen für den Aufsichtsrat beworben. Warum bewirbt man sich gerade in so guten Zeiten für den Aufsichtsrat - wo der doch augenscheinlich in den letzten Jahren sehr gut gearbeitet hat?
So bewarben sich neben den 3 alten Aufsichtsräten (Volker Kier, Christine Jasch und Gerhard Rimpler, 2 Mandate laufen noch weiter) gleich 7 weitere Personen schon im Vorfeld der Hauptversammlung für den Aufsichtsrat.
Was der Geldmarie dabei auffiel: Besonders Personen von bzw. aus dem Umfeld des Mitkonkurrenten und Minderheitsaktionärs W.E.B. Windenergie AG stellten sich um ein Aufsichtsratsmandat an.
Eine etwas ungewöhliche Vorgangsweise bei befreundeten, jedoch konkurrenzierenden Unternehmen - insbesondere dass sich der Finanzvorstand von Unternehmen A (W.E.B., Michael Trcka) für den Aufsichtsrat von Unternehmen B (oekostrom AG) bewirbt. Und das noch dazu mit einer Bewerbung, die einem Finanzer eigentlich die Haare raufen lassen sollte (Dividende in Aussicht stellen, Kritik der eigentlich tollen Medien- und Öffentlichkeitsarbeit...). Seltsam, das... - und hat Trcka eigentlich den von ihm bei der Bewerbung unterfertigten §87 Abs. 2 Akiengesetz in Sachen Corporate Governance Kodex (Befangenheit!) auch gelesen?
Das musste die Geldmarie doch gleich einmal (etwas verwundert) kommentieren (Hauptversammlung oekostrom AG - und es galt somit ausnahmsweise auch eine Hauptversammlung vor Ort zu besuchen (die Geldmarie ist Kleinaktionär der oekostrom AG).
Und siehe da: Die Annahmen bestätigten sich vollinhaltlich!
Schon bei der ersten wesentlichen Abstimmung in der Hauptversammlung (Anzahl der Aufsichtsräte) wurde einigen klar: Das ist wirklich etwas im Busch. Denn sonst wird ein gut arbeitender Aufsichtsrat nicht mit ca. 14.000 zu ca. 20.000 Aktien auf 4 Personen reduziert. Aber da fiel vielen kleinen Aktionären noch gar nicht wirklich auf, dass hier einige Herrschaften (und zwar Vertreter von Firmen mit höheren Beteiligungen) "packeln" (also ihre Stimmen immer zusammenlegen) und scheinbar etwas im Schilde führen...
Die Reduktion des Aufsichtsrates auf 4 Personen wurde somit mit ca. 22.000 zu ca. 12.900 Stimmen beschlossen und viele Aktionäre dachten wohl naiv: "Brav und lieb - jetzt spart man halt noch ein wenig ein". Selbiges dann wohl auch, als die Erhöhung der Aufsichtsratsentschädigungen um 10% nicht durchging. Aber ein solches Abstimmungsverhalten bei Gehältern von "denen da oben" ist man ja bei Publikumsaktiengesellschaften in diesen Tagen wohl gewöhnt...
Spannend und intensiv wurde es dann aber plötzlich bei den Abstimmungen für den Aufsichtsrat: Da stellte sich plötzlich heraus, dass zwar die überwältigende Mehrheit der Anwesenden für den alten Aufsichtsrat (und somit für den Aufsichtsratchef Volker Kier) stimmte - damit war man aber trotzdem (in Sachen Aktienbesitz) immer noch knapp in der Minderheit.
Als neuer Aufsichtsrat Nr. 3 wurde somit mit Micheal Trcka ein Mann gewählt, der vor der Aktionärsversammlung eine argumentativ ziemlich schwache Figur abgab, teilweise Gelächter und schweres Unverständnis verursachte und angesichts so mancher Vorwürfe (besonders dürfte ihm ein nicht vorgelesenes Papier nervös gemacht haben) sogar ziemlich ins Stammeln geriet. Keine wirkliche Empfehlung für ein wichtiges Mandat - aber scheinbar wurscht: Trcka wurde von 5 bis 6 Personen mit einigen Aktien im Gepäck (von grob geschätzen 200 Anwesenden )gegen den Wunsch der numerischen Mehrheit mit ca. 52:48 Prozent in den Aufsichtsrat gewählt.
Um den "Vater des Turnarounds aus dem Aufsichtsrat" Kier im Spiel zu halten, verzichtete dann sogar Christine Jasch auf die Kanditatur (der Rest der Bewerber spielte keine ernstzunehmende Rolle) für den Aufsichtsrat Nr. 4, mit der Mehrheit der wenigen "kleinen Großaktionäre" (von denen sich nur die W.E.B. und auch ein wenig die Stadtwerke Hartberg mit Reinhard Fink exponierten) wurde aber die Unternehmensberaterin Astrid Kiener (aus der Energiewirtschaft) mit knapper Mehrheit der numerischen Minderheit um "W.E.B. & Friends" in den AR befördert.
Dass die Menge sich zwischendurch überrollt und übergangen fühlte (schließlich zeigten fast alle für Kier auf) änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass hier offenbar schon im Vorfeld von "kleinen Großaktionären" (nur 6 Aktionäre haben einen Anteil von 2 bis 5,5% der Stimmen) das Abstimmungsverhalten klar war. Auch ein kurzer diesbezüglicher Appell der Vernunft und zukünftiger Zusammenarbeit der Geldmarie (weil ja das Resultat der kommenden Abstimmung ohnehin schon klar war, konnte man 1 und 1 zusammenzählen) Geldmarie knapp vor Ende der Wahlen änderte natürlich nichts mehr. Wenn nur ca. 34% des Grundkapitals anwesend sind, reicht es oft schon, wenn sich ein paar "Mittelgroße" verbünden...
Es stellt sich somit die Frage (deren Antwort ich gerne veröffentliche und kommentiere, so ein Vertreter der W.E.B. bzw. deren Verbündeten dazu Stellung nehmen will), was diese völlig unnötige Aktion (Abwahl eines bewährten Aufsichtsrates während sich der "Zug oekostrom AG" endlich in Bewegung gesetzt hat) soll? Will man den Aufwind der oekostrom AG bremsen bzw. stoppen - warum wechselt man ein "winning team" mit eigenen bzw. befreundeten Leuten aus?
Die meisten Aktionäre der oekostrom AG gingen ziemlich konfus aus der Hauptversammlung - vielen war einfach nicht klar, wie das passieren konnte (dass ein paar wenige Leute die Stimmenmehrheit haben). Vielleicht wird ja durch diesen Zeilen vielen erst klar, was da abgelaufen ist.
Für viele kleine Aktiengesellschaften ohne Kernaktionär möge diese HV als Beispiel dienen, wie schnell man (trotz guter Arbeit) abgewählt werden kann. W.E.B. und Freunde müssen jedenfalls schon sehr bald klar machen, was das soll: Will man vielleicht gar die oekostrom AG übernehmen, da man selbst keinen eigenen Stromvertrieb hat? Die Braut oekostrom AG wäre ja derzeit ziemlich attraktiv...
Ein derartiger "Angriff" auf ein (zumindest bis heute) befreudetes Unternehmen ähnelt fast einer Kriegserklärung - die meisten Aktionäre fassten dies bei der HV jedenfalls als solche auf. Ökostrom-Firmen gegen oekostrom AG - das ist Brutalität.
Man darf schon sehr gespannt sein, welche Neuigkeiten in den nächsten Tagen und Wochen seitens oekostrom AG und W.E.B. kommen - die Geldmarie wird den handelnden Personen und Unternehmen demnächst und auch noch später genauer auf die Finger sehen und berichten.
Bis zur nächsten Hauptversammlung (wann auch immer die kommen wird, vielleicht gibt es ja auch bald eine a.o. HV) gilt: oekostrom-Aktien kaufen, die sind (trotz Turbulenzen um den Aufsichtsrat) immer noch deutlich unterbewertet.
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Juli 2013