So Ihnen jemand 5 Jahre lang jedes Jahr 200 Euro abknöpft und Ihnen dann nach 5 Jahren 800 bis 1.000 Euro zurückgibt, werden sie dies wohl nicht unbedingt mit Jubel begleiten...
So funktionieren in Österreich aber alle paar Jahre die sogenannten Steuerreformen. Auch die Steuerreform 2019-2023 (ja, diese erfolgt in vielen, noch unsicheren, Etappen) der VP/FP-Regierung arbeitet primär mit der Rücknahme bzw. Rückgabe der Kalten Progression und schiebt die Reformen taktisch in Richtung Wahljahr 2022.
6,5 Milliarden Euro Gesamtwirkung im Jahr 2022 möchte man uns da verkaufen, und da ist der nunmehr schon laufende Familienbonus (ca. 1,2 Mrd. Euro) noch gar nicht inkludiert, unter Berücksichtigung der USt-Senkung für Nächtigungen bzw. Reduktion der Arbeitslosen-Versicherungsbeiträge werden gar Zahlen um 8,3 Mrd. Euro kolportiert. Klingt doch toll...?
Rechnet man allerdings nach, wieviel Einkommen- und Lohnsteuer durch die kalte Progression seit 1.1.2016 (letzte Steuertarifreform) durch Lohnerhöhungen (mit welchen man dann in höhere Steuerstufen rutscht) bis zur Wirksamkeit der Tarifreform 2021ff mehr gezahlt wurden, sollte die Freude des Wahlvolks doch eher geringer ausfallen: Das könnten dann nämlich schon gut und gerne 8 bis 9 Milliarden Euro sein...
Hier die relevanten Eckpunkte der Tarifreformen 2020-2023:
Bei 3 Lohn- und Einkommensteuerstufen werden ab 2021 die Tarifsätze reduziert:
Zwischen 11.001 und 18.000 Euro werden ab 2021 dann 20% (nach 25%) zur Berechnung gebracht, zwischen 18.001 und 31.000 Euro sind es (erst ab 2022) deren 30% (nach 35%) und zwischen 31.001 und 60.000 Euro reduziert sich der Satz (ebenfalls erst ab 2022) von 42% auf 40%. Die weiteren (höheren) Stufen ändern sich nicht.
Davon profitieren natürlich nicht nur (wie es auf den ersten Blick erscheint) die kleineren und mittleren Einkommen - nachdem auch die höheren Einkommen diese Steuerstufen bei der Berechnung durchlaufen, werden auch diese etwas entlastet.
Insbesondere kleine Einkommen profitieren schon 2020 durch die Beitragssenkung bei der Sozialversicherung - von einer Senkung der Lohnsteuersätze haben diese ja zumeist wenig bis nichts.
Die schon länger diskutierte Senkung der Körperschaftssteuer (=Besteuerung von Unternehmen) ist ebenso in Sicht, kommt aber erst ab 2022 (so diese Regierung die volle Legislaturperiode schafft) und dies in zwei Schritten:
2022 wird die KöSt von 25 auf 23 Prozent abgesenkt, 2023 sind es dann nur noch 21%.
Bisweilen lag man mit 25% im Mittelfeld, mit 23 bzw. 21% nähert man sich eher den Staaten im Osten, die oft auch mit KöSt-Dumping Investoren in ihr Land locken wollen.
Auch wenn WKO & Co. sich zuletzt oft 19% gewünscht haben - mit den 23% bzw. dann bald 21% darf man aus Wirtschaftsvertreterseite sicher zufrieden sein.
Eine derzeit noch immer halbwegs solide Wirtschaftslage, niedrige Zinsen und auch die noch laufende kalte Progression (zuletzt gute Lohnabschlüsse!) verschaffen dem Finanzminister derzeit eine Atempause und genannten Spielraum für eine (verzögerte) Tarifreform.
Wie bei österreichischen Steuerreformen üblich, bleibt auch 2019 (für 2020-2023) die Finanzierung noch in vielen Fragen offen und es wird wieder einmal auf "Sparen in den Ressorts" verwiesen.
So aber die Weltkonjunktur in den nächsten Jahren dreht (und das kann Österreich nur sehr marginal beeinflussen) oder sich gar wieder eine gröbere Finanzkrise einstellt (ist nie auszuschließen!), so sieht es auch mit dieser Steuerreform ähnlich aus wie mit den Steuerreformen in den letzten Jahrzehnten (unter anderen Regierungen): Sie führt schnurstracks wieder in neue Staatsschulden!
Pensionsreform (längst fällig!)? Keine Spur.
Gesundheitsreform? Bildungsreformen? Nix zählbares.
Ökosoziale Steuerreform (Klimaziele!!!?)? Tempo 140.
13. und 14. Gehalt (Begünstigt Vielverdiener massiv)? Traut sich keiner drüber, ist ja Tradition...
Vermögenssteuern? Peinliche Versuche, eine Digitalsteuer bzw. Konzernsteuer einzuführen, die dann ohnehin die Konsumenten zahlen...
Anstatt endlich wirkliche und längst fällige Strukturreformen anzugehen und vorausschauende Politik zu machen, wird weitergewurstelt wie üblich.
Ad hoc-Meldung - April 2019