Immer wenn die Politik zum Bankenbashing ausschwärmt (aktuell wieder im Sommerloch akut), gilt es zu hinterfragen, wieweit die Vorwürfe gegenüber den Kreditinstituten ("niedrige Zinsen für Guthaben, dafür aber höhere Kreditzinsen und Rekordgewinne") wirklich zutreffend sind.
In Sachen Sparzinsen haben wir dies unter Habenzinsen am Girokonto schon kommentiert, nun gilt es einmal die Kreditzinsen unter die Lupe zu nehmen.
Während die (unbesicherten) "Kontoüberziehungsrahmensollzinsen" von 12% und mehr wohl via Umschuldung auf normale Kredite zu vermeiden sind (außer die Überziehung ist wirklich nur sehr kurzfristig), kann und soll man verbriefte Sollzinsen auf Krediten mit 10% oder mehr Sollzinsen natürlich unbedingt anprangern.
Die aktuelle (politisch motivierte) Diskussion dreht sich aber primär um die Hypothekarkredite (Baufinanzierungen), welche einem in den letzten Jahren der Niedrigzinsphase nahezu "nachgeworfen" wurden - und zwar mit Zinsen von 2-3% bzw. sogar darunter.
Hier gilt es zu bemerken, dass die Zinsenlandschaft in den Jahren nach der Finanzkrise ihre üblichen Schwankungsbreiten ("1x rauf, 1x runter") etwas verlassen hat und lange Jahre der Niedrigzinsen vorherrschten.
Das hat natürlich viele Menschen verlockt, ihr Bau- oder Wohnungskaufvorhaben tatsächlich zu realisieren - und die Banken haben da brav mitgespielt. Das Risiko schien für beide Seiten übeschaubar: 1 bis 2% Aufschlag auf den jeweiligen Leitzinssatz (oft EURIBOR) und laufend steigende Immobilienpreise waren ein Paradies für beide Seiten. Bei einem negativen Euribor betrug da der Zinssatz oft sogar nur irgendwo zwischen 0 und einem Prozent - die Ratenhöhe bei derart lange laufenden Immobilienkrediten blieb also durchaus für viele im leistbaren Rahmen.
Was vielen Kreditnehmern nicht bewusst war und sich im letzten Jahr deutlich zeigte bzw. zeigt: Im Kreditvertrag sind zumeist keine Fixzinsen vorgegeben (und wenn, dann auch nur auf das eine oder andere Jahr) und die Anpassung erfolgt zumeist vierteljährlich an den jeweiligen Index (EURIBOR) - da wurden nun aus einem Prozent plötzlich 5 oder 6 Prozent Zinsen.
Auf die Kreditraten wirkt sich das dann durchaus böse aus und diese steigen (da die Zinslast ja auf die Gesamtlaufzeit berechnet wurde und diese nun massiv ansteigt) überproportional - die Kreditnehmer (ohne Fixzinsen - und das sind die meisten Kredite) dürfen also schon einmal nervös werden.
Kommt man als Immobilienkreditnehmer schon dieser Tage ins Schleudern, so muss man sich leider wohl auch selber ein wenig ans Hirn greifen: Dass die Kreditzinsen nämlich ewig bei 1-2% herumdümpeln, ist angesichts von oft gegebenen Kreditlaufzeiten von 20 oder gar 30 oder 40 Jahren nämlich ziemlich unwahrscheinlich. Durchaus mitschuldig, wer hier gedacht hat, die Kreditrate bleibt immer und ewig so niedrig.
Auch seitens Bank könnte es natürlich da und dort opportun gewesen sein, bei Kreditnehmer mit wenig Reserven bezüglich Kreditraten "durchzuwinken". Reserven sollte man gerade bei der Kreditsumme (der Hausbau wird z.B. fast immer teurer als ursprünglich kalkuliert) sowie natürlich auch bei der Kreditrate einkalkulieren. Und auch wenn sich der Kredit gut ausgeht: Unverhofft kommt oft - und wenn nur z.B. das Auto eine unerwartete Reparatur benötigt.
Ein taugliches Mittel gegen steigende Zinsen wären übrigens Zinscaps - diesbezüglich wurde aber wohl in den letzten Jahren sehr wenig bis gar nicht beraten.
Neben den gestiegenen Kreditraten kommt für Immobilienkredite derzeit eine weitere negative Komponente ins Spiel: Die Baukosten sind zuletzt enorm gestiegen und haben somit die Immobilienkredithöhen massiv erhöht. Die Immobilienpreise geben aber seit 2023 da und dort schon deutlich nach - vielleicht hat man ja 2022 zum Maximalpreis (zumindest für einige Jahre) gebaut...
Einerseits haben sich die Kreditvergaberichtlinien deutlich verschärft (mehr Eigenmittel erforderlich), andererseits scheint der jahrzehntelange Immobilienboom nun einmal beendet und es drohen auch so manche Bauträgerpleiten bzw. sogar deutlicher Wertverlust bei unattraktiven Lagen. Sogar eine kleine bis mittlere Immokrise scheint nicht unmöglich.
Das wird sich natürlich früher oder später auch auf die Banken negativ auswirken - die haben zwar im Normalfall 100% Zugriff auf die Hypothek, wenn diese weniger wert ist bzw. schwer verwertbar ist, ist das für Banken dann auch manchmal ein Verlustgeschäft.
Die "bösen bösen Banken" haben aber ohnehin kein gesteigertes Interesse, Kredite fällig zu stellen bzw. Hypotheken zu versteigern - geht sich die eine oder andere Kreditrate nicht aus (weil auch keine Reserven für diesen Fall gebildet wurden), sollte man unverzüglich VORHER mit der Bank Kontakt aufnehmen. So wird in der Regel eine Kreditstundung (in Form von kurzzeitger Stilllegung, Betragsreduktion oder/und Laufzeitverlängerung) möglich sein.
Die schlechteste Variante bezüglich Umgang mit Zahlungsverzug: Den Kopf in den Sand stecken...
Für geplagte Kreditnehmer sei hoffnungsvoll gesagt: Schön langsam sollte das "Zinsenhoch" erreicht sein. Die EZB erhöht wohl maximal noch 1x die Leitzinsen im Euroraum - und so die Inflation sich weiter reduziert, werden auch die Zinsen schon 2024 wieder nach unten wandern. Wie tief, ist noch schwer zu prognostizieren - die aktuellen Zinsen werden aber wohl mittelfristig gesehen nicht mehr so hoch sein. Ob es daher derzeit sinnvoll ist, auf einen Fixzinskredit umzusteigen, ist eher fraglich (wiewohl: fix ist nix...).
Für jene wenige, die sich derzeit einen Kredit leisten wollen (und diesen auch bekommen) sei jedenfalls nochmalig gewarnt: Immer ein wenig Reserve/Spielraum einplanen und auch jedenfalls mehrere Kreditangebote vergleichen!
Ihr Kreditberater (bzw. auch viele Berechnungsprogramme im Internet) kann Ihnen auch leicht ausrechnen, was ein Kredit mit z.B. 2%, was mit 5% und was mit 8% Verzinsung an Kreditrate ergibt - inkludieren Sie auch solche "Zahlenspiele" in Ihre Zukunftsplanung!
Ad hoc-Meldung - August 2023