Bei Derivaten handelt es sich um Verträge, welche das Recht verbriefen, etwas zu einem fix definierten Basispreis (Ausübungspreis) zu kaufen oder zu verkaufen. Der Preis der Derivate ist also vom Preis des zugrundeliegenden Produktes (=Basiswert) direkt abhängig.
Diese Basiswerte (auf welche der Basispreis bezogen ist) können z.B. auf Wertpapiere, Zinssätze, Rohstoffe, Fremdwährungskurse aber auch nicht im Wirtschaftsbereich beheimatete Größen (wie z.B. das Wetter) sein.
Daraus leiten sich auch unterschiedliche Namen und Formen von Derivaten ab - hier einige Beispiele:
Ursprünglich waren Derivate ein mögliches Finanzinstrument, sich gegen starke Preisänderungen (z.B. bei Währungen, Rohstoffen etc.) finanziell abzusichern. Insbesondere bei Unternehmen, deren Tätigkeit mit stark schwankenden Rohstoffpreisen bzw. Währungsrisken zusammenhängt waren Derivate schon lange eine interessante Absicherungsmöglichkeit (die ein wenig Geld kostete).
Ein relativ simples Beispiel:
Ein Kaffeeimporteur aus Österreich möchte sich gegen das Riskio steigender Rohstoffpreise (Kaffee) absichern.
Bezahlt man derzeit 100 Euro pro Ladung Kaffee (Beispiel!), möchte er (um seine Marktposition nicht zu gefährden) mit diesen Preis auch im nächsten Jahr kalkulieren können. Er sichert sich damit ab, dass er um beispielsweise 10 Euro pro Ladung jemanden das Recht abkauft, im nächsten Jahr (zu einem genau definierten Zeitpunkt) die Ladung Kaffee wieder um 100 Euro kaufen zu können.
Dieser "jemand" wird im heutigen Normalfall nicht der Kaffeehersteller (Produzent) sein - vielmehr ein Finanzinvestor bzw. eine Bank u.ä., welche das Risiko eines massiven Anstieges beim Kaffeepreis auf sich nehmen. Dieses Risiko lässt man sich z.B. mit 10 Euro Prämie (=Derivat) abkaufen.
Kostet die Ladung Kaffee dann im nächsten Jahr 125 Euro, wird sich der heimische Kaffeeimporteur die Hände reiben - der Verkäufer der Derivate wird sich ärgern, da er teuer nachkaufen (und vielleicht auch liefern) muss. Auch wenn in der Praxis bei solchen Geschäften selten effektive Ware gehandelt wird - denn es handelt sich primär um eine finanzielle Absicherung (Versicherung) bzw. um eine Spekulation. Jedenfalls muss der Verkäufer trachten, dass die Lieferung zu 100 Euro gewährleistet ist - und entsprechende Rechte bzw. Kaffee dann teuer nachkaufen.
Sollte der Kaffeepreis unter 110 Euro (100 + 10 Euro) bleiben, hätte der Verkäufer der Derivate profitiert und streift die 10 Euro ein.
Waren diese Geschäfte bis in die 1980er-Jahre eher nur als eine Art Versicherung gedacht, so hat sich das Geschäftsmodell rund um Derivate in den letzten Jahrzehnten massiv geändert:
Die Spektulationskomponente ist in den Vordergrund gerückt - nur noch selten finden bezüglich Derivate echte Hedgegeschäfte (Absicherungsgeschäfte) statt. Der Finanzmarkt (z.B. die zusehends unbeliebteren Hedge-Fonds) wurde zusehends von Spekulanten überrollt, die im großen Bereich der Derivate hohe Gewinne (aber auch Verluste) lukrieren möchten.
Die Spekulanten tätigen also sogenannte Leerverkäufe (besitzen die Ware oder den Basiswert gar nicht) und hoffen auf gleichbleibende bzw. fallende Preise bzw. kaufen sich an den Börsen die Derivate um an starken Kursschwankungen zu profitieren.
Eine Beispiel (von vielen denkbaren Modellen):
Basierend auf obiges Beispiel (Kaffeepreis) kauft sich ein Investor nur das Recht, in einem Jahr die Ladung Kaffee um 100 Euro kaufen zu können. Er möchte natürlich keinen Kaffee (oder auch keine Aktien, Zinsen etc.) kaufen, sondern nur Gewinne machen: Steigt der Kaffeepreis innerhalb der Laufzeit des Derivats auf 125 Euro, hat dieses Derivat einen inneren Wert von 25 Euro und mehr (je nach verbleibender Restlaufzeit).
Er wird das Derivat also höchstwahrscheinlich verkaufen und streicht einen netten Gewinn (von zumindest 15 Euro pro Anteil) ein. Mit wenig Kapitaleinsatz kann man also überproportional von Kursen, Werten etc. profitieren, ohne sich den zugrundeliegenden Wert (Basiswert) auch kaufen zu müssen.
Selbiges Beispiel funktioniert übrigens auch mit fallenden Kursen und in vielen anderen Varianten bzw. Bereichen - vorausgesetzt, es funktioniert die Strategie des Investors.
Liegt dieser mit seiner Spekulation falsch, erleidet er häufig einen Totalverlust, der jedoch (bei erfolgreichen Spekulanten) oft durch andere hohe Gewinne verkraftbar bleibt. Oder eben zum Platzen einer Spekulationsblase beiträgt...
Im Grunde genommen sind Derivate eine oft sinnvolle Sache und werden auch weiterhin große Bedeutung für die Finanzplätze haben. Der Missbrauch in Richtung Spektulation hat jedoch schon für die eine oder andere Finanzkrise (mit-)gesorgt.
Die Bestrebungen, derartige Finanzinstrumente zu verbieten oder zu reglementieren finden jedoch nur in Zeiten von Finanzkrisen statt. Man kann also annehmen, dass Derivate weiterhin das Marktgeschehen an allen Börsen beeinflussen werden.
Beschränkungen (z.B. in Sachen Betragshöhe bzw. Zugang) bzw. mehr Transparenz könnten zukunftsorientierte Lösungen sein - es muss ja nicht sein, dass Spekulanten ganze Staaten, Währungssysteme, Firmen und Wirtschaftszweige etc. zerstören. Das sind nämlich die indirekten Auswirkungen von Derivaten.
Nachdem es sich bei den meisten Derivaten um "lottoähnliche" Produkte handelt, sollte man den jeweiligen "Wetteinsatz" auch staatlich kontrollieren. Aber nicht gänzlich verbieten. Es ist jedoch anzunehmen, dass (vielleicht auch mangels Kenntnis dieser komplexen Systeme) die Politik weiterhin unkontrolliert schalten und walten lässt...
Als Risikoabsicherung verwendet, haben Derivate aber nach wie vor eine absolute Existenzberechtigung.