Eine Nettopolizze ist eine Versicherungspolizze (zumeist in Form einer Kapitalversicherung wie z.B. Fondsversicherung oder Lebensversicherung), bei welcher die Prämien der Versicherung keinen Provisionsanteil für den Vermittler ausweisen. Sehr wohl erhält der Vermittler aber eine Provision - diese ist in einem gesonderten Vertrag (welcher oft auch im Versicherungsantrag eingebaut ist) geregelt.
Im Normalfall sind die Provisionszahlungen an den Versicherungsvermittler in der vereinbarten Prämie inkludiert. Wird der Vertrag seitens Versicherten nicht eingehalten (z.B. durch einen Rückkauf oder durch Nichtzahlung der Prämie), resultieren für den Vermittler aliquote Einbußen (je nach Dauer der Versicherung bzw. Vereinbarung mit der Versicherung) bei seiner Abschluss- bzw. Folgeprovision.
Prinzipiell wären Nettopolizzen ja nichts Böses: Der Versicherungskunde kann sehr rasch erkennen, wieviel der Versicherungsberater für seine Tätigkeit erhält. Und gute Beratung darf ja ruhig auch etwas kosten...
Der große Nachteil kann sich dann aber bei einer vorzeitigen (und raschen) Auflösung der Nettopolizze zeigen: Versicherungsvertrag und Vertrag mit dem Vermittler sind zwei von einander unabhängige Verträge und werden somit auch rechtlich unterschiedlich exekutiert.
Es kann demnach durchaus möglich sein, dass man zwar sehr wohl den Versicherungsvertrag prämienfrei gestellt hat, rückgekauft hat oder auch nur etwas reduziert - sehr wohl muss man aber weiterhin die laufenden Zahlungen an den Vermittler leisten. Blöd gelaufen...
Hat der Versicherungsvermittler keinen rechtlichen Fehler begangen, halten solche Verträge häufig einer rechtlichen Prüfung stand - diesbezüglich laufen (bzw. liefen) in Österreich schon einige Musterprozesse mit ungewissen Ausgang.
In der Praxis haben sich Nettopolizzen in Österreich jedenfalls bisweilen nicht bewährt - daher wird diese Art der Provisionierung von den meisten seriösen Anbietern auch gar nicht angeboten.
Und doch gibt es immer wieder Probleme mit dem Verkauf von Nettopolizzen: Oft sind es unbedachte Gefälligkeitsunterschriften von jungen Menschen an "gute Freunde", welche doch schnell einmal eine Wochenendausbildung zum "Vermögensberater" gemacht haben.
Dass solche Verträge dann (wie ca. 50% aller Kapitalversicherungen) vorzeitig bzw. sehr rasch storniert werden (zumeist mit Totalverlust des eingezahlten Kapitals) ist daher nicht sonderlich überraschend.
Während man bei einer normalen Polizze dann eben oft "nur" das bisher eingesetzte Kapital verliert, gehen bei Nettopolizzen die Zahlungen der Vermittlungsgebühren dann häufig noch einige Zeit (je nach Vereinbarung) weiter.
Passen Sie daher genau auf, ob es im Antrag eine entsprechende Vereinbarung gibt - insbesondere bei Freunden und Bekannten, welche erst seit kurzem im Beratungsbereich tätig sind. Holen Sie bei solchen Angebot unbedingt auch noch eine Fachmeinung eines langjährigen Versicherungs- oder Bankangestellten (bzw. Makler, unabhängiger Vermögensberater etc.) ein. Wird seitens Versicherungsvermittler überhaupt nur ein Produkt angeboten (und dieses über Gebühr gelobt bzw. ohne Aufzeigen der möglichen Nachteile beworben), sollten die Alarmglocken schon läuten.
Natürlich verdient sich ein seriöser Vermittler für seine gute Beratungstätigkeit (plus die dazugehörige Ausbildung) auch ein gutes Honorar. Wenn auf dem Antrag dann aber mehrere tausend Euro ausgewiesen sind (ist natürlich auch laufzeit- und prämienabhängig), können Sie sich ja schon vorstellen, wie lange dieser Vertrag (der ja qualitativ durchaus passen kann) halten muss, bis die Provision des Vermittlers verdient ist...
Haben Sie einen solchen Vertrag unüberlegt unterschrieben, haben Sie immer noch die Möglichkeit des Rücktritts. Beachten Sie diesbezüglich aber die jeweiligen Fristen!
Eine Nettopolizze (mit klaren Kosten seitens Vermittler) wäre ja durchaus eine sinnvolle und transparente Sache - durch überhöhte Provisionsbeträge, Nachteile bei vorzeitiger Auflösung (bzw. Prämienfreistellung oder Prämienreduktion) bzw. häufig schlechte Beraterqualität und natürlich auch durch naive Versicherungsnehmer ist die Zeit für Nettopolizzen aber leider noch nicht gekommen.
Die in Österreich noch ziemlich unbekannte Honorarberatung könnte hier aber eine interessante Alternative bieten.